„Weißt du, dass die Bäume reden?“

Meine Baumpilgerreise im August 2022

(aus meinem Reisetagebuch)

 

 

Der vorletzte Tag meiner Baumpilgerreise ist angebrochen. Draußen machen nach dem Regen hunderte Stare ein Riesenspektakel in den Kronen der Eichen – ein herrliches Konzert. Zum krönenden Abschluss der Reise bin ich in Glasow bei Kathi und Jens gelandet, die einen alten Hof hier in Meck Pomm wunderschön liebevoll umgebaut und umgestaltet haben zum „Entschleunigungshof“- bis ihnen Corona die Pläne durchkreuzte, wie so vielen. 

So fand ich ihre Anzeige ungewöhnlicherweise unter den günstigen Monteursunterkünften im Internet, wo ich gestern, nachdem mir im Starkregen das Zelt abgesoffen war, händeringend nach einer erschwinglichen Bleibe suchte in der Nähe der Ivenacker Eichen. Mit ihnen fing die Idee zu dieser Reise an, als ich im Winter an der Ostsee war um gesunde Luft für meine durch Long Covid geschädigte Lunge zu tanken.

Da erinnerte ich mich angesichts der beeindruckenden mistelbehangenen Baumsilhouetten vage – hatten nicht meine Eltern etwas von tausendjährigen Eichen hier oben in Meck Pomm erzählt? Die Ivenacker Riesen waren mir dann doch zu weit weg für einen extra Tagesausflug in meinem geschwächten Zustand gewesen, aber ich fing an zu träumen…Im Sommer, wenn ich hoffentlich wieder annähernd normale Kraft haben würde, wollte ich zu den alten Baumopas pilgern und noch andere ihrer „Verwandten“ besuchen. Schon einmal, in einer Zeit schwerer psychischer Krise, waren mir die alten Bäume im Küchenholz, meinem lokalen Leipziger Park, zu Hilfe gekommen und sind seitdem treue Begleiter an meiner Seite geworden (oder eher ich an ihrer :)), zu engen Vertrauten und zu meiner Medizin. Damals sind auch die ersten Baumzaubertraumbilder entstanden. 

Unsere Vorfahren in vorchristlicher Zeit hatten noch einen viel tieferen, mystischen Bezug zu den Bäumen. Man kam unter Linden zusammen zum Liebesspiel, band Krankheiten an den Holunder, vertraute der Eibe die Seelen der Verstorbenen an. Die Bezeichnung der gelehrten zauberkundigen Druiden leitet sich vom alten indogermanischen Wort „Dru“ für Eiche oder auch Baum ab. Nun ja, auf Heil- und mystischen Wegen führte es mich also zu den alten grünen Riesen und Orientierung fand ich im Buch Deutschlands alte Bäume*, einem Bildband von annähernd 200 der beeindruckendsten grünen Großväterchen und Großmütterchen. Alle Hintergrundinformationen in diesem Text zu den einzelnen Bäumen und geschichtlichen Hintergründen sind ihm entnommen. 

Ich entschied mich, bei meinen Wurzeln anzufangen (Achtung: Wortspiel!), nämlich in Thüringen. Dort gibt es nämlich einen Nationalpark mit Wildkatzen und Baumkronenpfad, von dem ebenfalls meine Eltern und Freunde bereits geschwärmt haben. Dort sollte die Reise beginnen. Los ging die Reise am 20. August im kleinen alten Skoda, dem Zweitauto meiner Eltern, das früher meinem Opi Gerhard gehört hatte und in dem damals immer eine Karte mit Bertold Brechts Spruch „Wer kämpft, kann verlieren. Wer nicht kämpft, hat schon verloren.“ klemmte. Ein Roadtrip im „Schkoppi“, wie ich die alte Hutsche am ersten Tag taufte, sollte es werden, mal im Auto, mal im Zelt, mal in einem Zimmerchen schlafen, je nachdem, wie mir der Sinn steht und was der Geldbeutel so hergibt. Hauptsache unterwegs und ganz viel draußen im Grünen sein, das ist die beste Medizin, stelle ich immer wieder fest. 

Zum Frühstück des ersten Tages überlegte ich, dass ich schon einiges von geomantisch interessanten Stätten gelesen hatte und forschte  nach, was es in der Nähe noch gab. Ich entschied mich kurzerhand, noch zwei Kraftorte zu besuchen vor dem Hainich. 

 

 

Die Drei Gleichen sollen laut einem Erfurter Geomanten kraftvolle Plätze sein: ein Burgenensemble dreier Burgen auf drei Bergen (in Sichtweite voneinander) nahe Gotha. Ich erinnerte mich, wie ich als Kind mit den Großeltern dort lang gefahren bin und habe meinen besagten geliebten Opi noch im Ohr wie er sagt „Das sind die Drei Gleichen“, aber oben auf den Bergen waren wir nie. Nun gut, denke ich, mit dieser Erinnerung und dem alten Schkoppi von Opi back to the roots nach Thüringen. Auf der ersten der Drei Gleichen, der Mühlburg, die wohl die älteste erhaltene Burg Thüringens ist, zog prompt ein Unwetter auf, das nach der heißen Sommerdürre lang ersehnten Regen brachte. Nur leider etwas ungünstig, gerade dann auf dem höchsten Punkt der Umgebung zu sein...

So ging es dann nicht mehr hoch auf den Turm, sondern mit Schirm, Charme und ohne Melone wandernderweise zum nächsten Berg, wo sich dann das Unwetter verzogen hatte. Die Burg „Gleichen“ ist nur noch Ruine und daher weniger touristisch begangen. Ein magischer doppelter Regenbogen segnete dort oben den Auftakt meiner Reise und ein bisschen war mir, als würden mir die Großeltern ein Zeichen senden.

Wagemutig erkundete ich die Gegend nach einer kleinen Stelle nahe eines Bachlaufs um dort die erste Nacht im Auto zu schlafen. Ich fand direkt ein schönes Naturschutzgebiet hinter Apfelstädt, zu dem ein langer einsamer Feldweg führte, und vor dessen Rand ich Schkoppi parkte. Vor dem Einschlafen las ich ein wenig in meiner mitgebrachten Lektüre Baumheilkunde* und schlief glücklich ein. Na ja, gerade bequem war es nicht auf dem umgeklappten Beifahrersitz, aber mit Tüchern in den Fenstern, die mir Privatsphäre verschafften, falls sich doch ein einsamer Wanderer hierher verirren sollte, fühlte ich mich zumindest sicher in meiner Höhle.

Doch ich träumte sehr schlecht und grausig, als würden mich seltsame Energien heimsuchen, was mir früh seltsam erschien angesichts der friedlichen Natur. Es waren aber keine persönlichen Verarbeitungsträume oder Albtraummotive, die ich kenne. Eher, als würden mir die Geister Verstorbener etwas zuraunen. Ich weiß, keine besonders schöne Anekdote in diesem Text. Als ich später Widipedia zu Apfelstädt befragte, stellte ich fest, dass es tatsächlich eine bewegte, zum Teil sehr brutale Vergangenheit hat: Es gibt ein uraltes Gräberfeld in der Nähe; es wurde im Bruderkrieg komplett niedergebrannt und zur NS-Zeit stark beschossen, mit vielen zivilen Opfern. Klar, ich war jageomantisch interessiert an den Plätzen, doch zeigte sich mir hier nun auch leidvolle Vergangenheit, die energetisch ebenso an einem Ort gespeichert sein kann wie die positive Ausstrahlung gesunder Natur oder die Aufladung durch Gebete und Rituale an Kraftplätzen. 

Doch schnell waren die Schrecken der Nacht abgewaschen bei einem Bad im kalten kleinen Bächlein, das von Pappeln gesäumt war. Im Rascheln des Windes raunte mir eine von ihnen ihre Botschaft zu und es kam schon zur unerwarteten ersten innigen Begegnung mit einem Baumwesen, wenn auch nicht einem Jahrhunderte alten. Sie flüsterte „Ich schenke dir die Gabe der Weichheit und der nur scheinbar rauen Schale, die ein wenig Halt gibt. Ich schenke dir die Gabe der leisen Eingebungen, die mit dem Wind kommen.“

Tief verbunden sind diese Wesen mit dem Fließen des Wassers und dem Rauschen des Windes. 

Beim Frühstück schaute ich erneut auf die Seite des Erfurter Geomanten und entdeckte, dass in der Nähe eine Jahrtausende alte Kultstätte jungpaläolithischer Wildpferdjäger und - jägerinnen zu finden ist. Das weckte meine Neugier.  Nicht leicht zu finden – ich irrte erstmal eine Weile durch das Örtchen Oelknitz – stieß ich schließlich hinter einer Gartensiedlung auf das entsprechende Hinweisschild am Fuße des Sandbergs, von dem ich auf google maps keine Spur gefunden hatte. Leider fanden sich keine Überreste der Ausgrabungsstätte mehr auf dem Berg und so musste die Vorstellung genügen, wie dort vor knapp 12000 (!) Jahren zum Ende der letzten Eiszeit nomadische Wildpferdjäger*innenunterwegs waren, die anscheinend einen Göttinnenkult hatten, was die Funde von stilisierten Frauenfiguren in Stein geritzt nahe legen. Auf ihren Spuren wandelte ich hoch bis zum Helenestein auf dem Gipfel (ein Gedenkstein an eine ehemalige Kronprinzessin von Orléans). Andenken an zwei sehr verschiedene Geschichtsepochen vereint auf einem Berg.

Wieder unten, am Flusslauf der Saale fand ich eine mächtige Weide, die horizontal über dem Fluss entlang wuchs. Ich balancierte auf ihr bis zur Mitte des breiten Flusses und ließ mich dort auf ihrem dicken Stamm nieder. Ihr Flüstern umrahmt vom Plätschern des Flusses versetzte mich in verträumte Stimmung und ich hätte noch stundenlang an sie geschmiegt ruhen können.


Hier ist ihr Geheimnis, das sie mir anvertraute: „Ich schenke dir Hingabe und die Gabe des Lauschens und Erspürens dessen, was aus den Tiefen aufsteigen möchte.“ Und als ich wieder runterkletterte, fügte sie verschmitzt hinzu „Ob ich stehe oder liege, ist mir egal, wenn ich mich biege.“ 

Schließlich suchte ich mir für die zweite Abenteuernacht ein neues grünes Versteck für Schkoppi und mich, was gar nicht so leicht werden sollte. Ich irrte zwischen kleinen Dörfern umher und schließlich fand ich wieder ein Eckchen hinter einem Gebüsch an einem Bächlein, wo ich unbehelligt blieb bis zum Aufbruch am nächsten Morgen. Nur das leise, freundliche Schnaufen von Pferden, die auf einer angrenzenden Koppel grasten, und die funkelnden Sterne über mir waren meine Begleiter in einen diesmal friedlichen Schlaf. 

An dieser Stelle der Reise stellte ich fest, dass ich mein Handyladekabel vergessen hatte. Oje. Doch ich hatte ein älteres I Phone, das ich von einer Freundin geschenkt bekommen hatte und das ich lediglich als Kamera verwenden wollte, dabei. Mithilfe eines Grashalms drückte ich die winzig kleinen Knöpfe um die Sim-Karte vom einen ins andere zu wechseln und glücklicherweise klappte es. Allerdings konnte ich weder meine Kontakte laden noch einen Messenger, was sich im Nachhinein als wahrer Segen herausstellte. Es war ein wenig so wie auf meinen ersten Indienreisen vor über 10 Jahren, als ich nur ein altes Klapp-Handy für den Notfall dabeihatte, das ich nie anschaltete. Ich war mal nicht erreichbar. Nur im Wood Wide Web unterwegs. Halleluja.

Am dritten Tag der Reise ging es dann endlich zum Hainich Nationalpark im Westen Thüringens. Es gibt ihn seit 1997 als 13. deutschen Nationalpark und seit 2011 zählen Teile davon zum UNESCO Welterbe der europäischen Buchenurwälder.

Ich steuerte Hütscheroda an, wo es einen Wildkatzenpfad und allerhand Informationen vom BUND zu den scheuen wilden Samtpfoten gibt, der sich für einen „grünen Korridor“ zwischen Hainich und Thüringer Wald einsetzt, der nicht unterbrochen wird von Landwirtschaft oder Straßen. Denn leider sterben dort die meisten Wildkatzen.

In den 1980er Jahren fällte die Rote Armee die meisten Bäume und nutzte die Gegend für ihre Zwecke. Erstaunlich ist, wie schnell sich die Natur ihr Reich zurückerobert wenn sie gelassen wird. Eschen, Ahorn und Hainbuchen sind zum „Stockausschlag“ fähig, d.h. aus den noch lebenden Wurzeln der gefällten Bäume konnten sie neu austreiben.

Auf Grasnarben, die durch Weideschafe entstanden waren, bereiten jetzt Rose, Weißdorn und Schlehe als „Ammensträucher“ den Boden für größere Waldbäume vor.

Gleich zu Beginn meiner Wanderung war ich entzückt von einem großen Weißdorn-Hain, in dem ich ein Weilchen auftankte. Ist doch der Weißdorn die stärkste Pflanzenmedizin fürs Herz – sowohl physisch als auch seelisch.

 Ich ließ mich also von den lichten Weißdornammen ein wenig wiegen und setzte glücklich meine Wanderung fort. Auf dem Weg durch die weite, grüne, satte Natur dachte ich immer wieder „Mehr braucht es gar nicht um zu heilen...“

Als ich an der Infotafel von der bewegten militärischen Geschichte der Gegend las und vom Aussichtsturm aus bestaunte, wieviel und wie weit sich sattes Grün den Weg bereitet und ausgebreitet hatte, kamen mir die Tränen. Wie stark sich Natur/Wälder erholen könnten, wenn wir sie nur ließen. Auf so viel mehr Flächen wäre ähnliches möglich und nötig. Besonders in Zeiten von Klimawandel und Artensterben. Ein kurzer Zahlenexkurs: Ca. 32 % Deutschlands sind Waldflächen. Bis 2020 sollten 5 % aus der „Nutzung genommen“ werden, also wild wachsen dürfen, ohne Bewirtschaftung. Dieses Ziel wurde weit verfehlt und nur etwas zwischen 2 und 3 % sind derzeit Wildnis (Angaben des NABU). Ein wenig vorgegriffen: auf der Rückfahrt hörte ich Peter Wohllebens Hörbuch Der Lange Atem der Bäume.* Er beschreibt, wie horrende Summen als Preise ausgeschrieben werden für die Entwicklung von Technologien um CO2 zu binden und einzulagern, damit es nicht in die Atmosphäre entweichen kann. Dabei wird dann an unterirdische oder gar -maritime Einlagerung gedacht und die naheliegendste und einfachste Lösung komplett ignoriert: einheimische Bäume und Wälder ungestört wirklich alt werden zu lassen statt gezüchtete schnell wachsende Arten in Plantagen bereits nach wenigen Jahrzehnten zu fällen und nur als Rohstoff zu betrachten. Wer immer diesen Text liest und vielleicht Geld übrig hat, mit dem er/sie nicht weiß, was damit anfangen: Bitte kauf Wald und lass ihn wachsen statt ihn zu bewirtschaften. Deine Kinder, Enkel und der Planet werden es dir danken!

Der Hainich jedenfalls ist für mich ein Beispiel gelungenen Umdenkens und Naturschutzes. Selbst in diesem wieder extem heißen Sommer, in dem ich mit Sorge beobachte, wie in meinem lokalen Leipziger Park oder im Umland reihenweise Bäume schwächeln, bereits im Sommer Teile ihre Laubs abwerfen oder umkippen, scheint der Wald im Hainich vergleichsweise stark. Das ist nicht allzu verwunderlich: Wer die Bücher von Wohlleben kennt, weiß, dass sich Bäume im Verbund einer Art in einem intakten Wald gegenseitig über die Wurzeln mit Nährlösung unterstützen und dass wiederum durch Fahrzeuge, viele Fußgänger oder Beton verdichteter Boden wie in Parks oder an Straßen kaum genug Wasser durchlässt und den Wurzeln ihren Raum zum Entfalten nehmen. Zudem sind sie meist Einzelkämpfer. So geschwächt gibt die Hitze und Trockenheit unseren Stadtbäumen oder Bäumen an Straßen und Feldern schnell den Rest. In intaktem Wald (nicht in Douglasienplantagen) aber herrschen perfekte Symbiosen zwischen den verschiedensten Lebewesen, einschließlich der Abertausenden von Kleinstorganismen im Boden. Der Wald ist sein eigenes geschlossenes Ökosystem, in das der Mensch leider allzu oft größenwahnsinnig, im besten Fall noch gut meinend, eingreift. Aber gut gemeint ist bekanntlich oft das Gegenteil von gut. 

Nun ja, zurück zu mir auf dem Wildkatzenpfad. Leider und natürlich wenig überraschenderweise begegnete ich keiner Wildkatze auf meiner Wanderung, hatte auch wenig Lust auf Zuschauen bei einer Fütterung im Schaugehege. Wenn sich mir in der Natur wilde Tiere zeigen, bin ich sehr dankbar für die Begegnung, aber für das Begaffen von gezähmten, eigentlich scheuen Wildtieren hatte ich noch nie allzu viel übrig. Doch natürlich macht der BUND wichtige Aufklärungsarbeit und sensibilisiert vor allem schon Kinder so für das Thema. Ich jedenfalls erfreute mich stattdessen am Flug der zahlreichen Falken, Milane und Bussarde über mir und an einer kleinen Blindschleiche auf meinem Weg.

Nachdem die ersten zwei Nächte wenig bequem auf dem umgeklappten Beifahrersitz waren, wählte ich für die dritte Nacht den Campingplatz „Am Tor zum Hainich“. Ich musste schmunzeln angesichts der feinsäuberlich angelegten Flächen, kurz gemähten Rasen und kleinbürgerlichen Wohnwagen mit all ihrem Equipment. Welch ein Kontrast zwischen diesen getrimmten, eckigen Rasenflächen und dem Wald gleich nebenan, der doch vergleichsweise wild wachsen darf. 

Mein Abendspaziergang führte mich entlang des „Feensteiges“, einem wahrlichen Zauberwald, liebevoll mit kleinen Aufgaben und Denkanregungen entlang der Storyline mehr oder weniger bekannter Märchen gestaltet. So dürfen sich Wandernde fragen, was sie loslassen und dem Weißdornstrauch anvertrauen wollen, wenn sie durch sein Tor schreiten oder einen Blick in die Zukunft durch das „Elfenfenster“ wagen.


Verzaubert und beglückt von diesem Tag im Grünen schlief ich diesmal sehr bequem ein und genoss sogar noch den Luxus des Bäckerwagens, der extra auf den Campingplatz mit frischen Brötchen anrollte. So gestärkt brach ich zur ca. 400 Jahre alten Mahllinde bei Niederdorla an der Ostflanke des Hainichs auf – eigentlich ein Mini-Lindenhain aus drei stattlichen Bäumen. Die älteste hat Wurzeln, die an Dinosaurierrücken erinnern. 


Die Gegend hat eine uralte bewegte Geschichte: im 6. Jh.v. Chr. gab es hier ein Opfermoor der Germanen. Als ein Erdfall das Moor wie durch ein Wunder in einen klaren See verwandelte, wurde es zum religiösen Zentrum. 90 verschiedene Opferkulte konnten an dem See nachgewiesen werden. Ich setzte mich in den Schatten der Dinosaurier-Linde und machte einen Zeichenversuch, bis die sengende Sonne mich einholte. 

Schließlich ging es weiter Richtung Einbeck zum Tiny House Bauwagen von Barbara. Wundervoll eingebettet liegt er an der Ilme zwischen Holler- und Haselbusch – ein richtig verträumtes Hexenhäuschen mit Terrasse zum Fluss. Hier genoss ich das Plätschern des Flüsschen, vertraute ihm einiges an, was ich loslassen wollte, und ließ mich von Barbaras Massage verwöhnen. Der ganze Platz um die „Huldersun Akademie“ lädt zum Erholen ein und stahlt eine kontemplative, achtsame Atmosphäre aus – genau mein Ding. Am nächsten Tag wurde auf dem Gemeinschaftsgelände ein großes Zelt für eine Hochzeit aufgebaut und während die freudigen Vorbereitungen in vollem Gange waren, ließ ich mir erstmal Zeit für einen gemütlichen Vormittag auf der Terrasse am Fluss und brach dann auf zum lokalen Baumopa – zur ca. 400-jährigen Eiche am Klapperturm von Einbeck.

Ganz schön mitgenommen sieht sie aus, sehr wahrscheinlich hat sie schon einiges erlitten. Bekannt sind ein Brand der Gaststätte, an der sie steht, um 1899 und 1951 hat man die marode Krone in 4 Metern Höhe gekappt. Der Stamm ist hohl und wird von starken Seilen zusammengehalten. Ein Blick nach oben in die etwas spärliche, aber doch zurückerkämpfte Krone verrät freundliche Nachbarschaft mit einer jüngeren Linde – vielleicht spendet sie dem alten Baumherren ein wenig Trost. Schließlich heißt es im Volksmund „Linde lindert alles.“ Die Geschichte ist auch interessant, zumindest für Bierliebhaber, denn Einbeck ist eine alte Bierbrauerstadt. Schon im 14.Jh. erlangte es Reichtum durch den Export lagerfähigen Bock-Biers. Der Klapperturm ist Überbleibsel einer Landwehr mit acht Türmen zur Verteidigung des flüssigen Golds. Doch ab 1600 verlor diese an Bedeutung und die alten Türme wurde in Gaststätten und Herbergen umgewandelt. Wohl um diese Zeit muss unser alter Eichenopa im Vorgarten gepflanzt worden sein. 

Nach einem kürzeren Meet & Greet mit ihm fuhr ich weiter zu einem besonderen Baumriesen, der einer der Highlights meiner Reise werden sollte. An einem sengend heißen Augustnachmittag fand ich die einsame verwunschene Süntelbuche an einem Feldweg neben ihrer kleineren Tochter. Die laut Baumbuch 250 – 400 Jahre alte Kopfbuche ist eine Schwester der einst im Süntel, einem Bergrücken im Weserbergland, wachsenden Süntelbuchen, die knorrig wild verwachsene Äste in alle Richtungen hatten, wahrscheinlich durch eine Knospenmutation. Wie ein heiliger Hain aus nur einem Baum fühlt sich der Platz um und unter der verwunschenen Riesin an. Wenn man unter die Äste eintritt in ihr Reich, hat man das Gefühl ehrfürchtig um Erlaubnis bitten zu wollen und sogleich tut sich ein Zauberreich vor einem auf. Bei ihrem Wuchs und ihrer Ausstrahlung wundert es nicht, dass in vergangenen Jahrhunderten die frommen Geistlichen meinten, da sei „Hexenwerk“ im Spiel. Denn ein magischer Ort ist diese alte Buche fürwahr. Nur leider hatte das zur Folge, dass fast all ihre Verwandten im Süntel der „frommen“ Fällung zum Opfer fielen. 

Ein engagiertes Ehepaar setzte sich jüngst für die Pflanzung des kleinen Setzlings neben der altehrwürdigen Großmutter ein. Unter ihrem Dach war weder von der Sommerhitze noch vom Rest der Welt viel zu spüren. Ich sang für die Buche, vertraute ihr an, welche Teile in mir vor allem in früheren Leben den Menschen auch unlieb waren und Verfolgung oder Ächtung erlitten hatten, genau wie ihre Brüder und Schwestern. Eine ganze Weile genoss ich das Privileg, mit dieser magischen Alten allein zu sein, kletterte sogar vorsichtig auf ihren starken Stamm um ihr ganz nah zu sein. In ihr spürte ich eine starke, standhafte und wilde Verbündete. Glücklicherweise haben sich die Zeiten geändert und jüngst bekamen ihre mächtigen knorkeligen Äste eine Stütze, sonst wären sie vielleicht schon abgebrochen, wie bei ihrer Süntel-Schwester mit dem dicksten Stammesumfang von fünf Metern, der Tillybuche bei Raden. Doch „wie die alte Süntelbuche überhaupt hierher kam, ob sie als Steckling vom Süntel hierher verbracht wurde oder ob sie einer eigenwilligen Buchecker entsprang, das wird auf ewig ihr Geheimnis bleiben.“ (Kühn, Ullrich, Kühn S. 93)

Des Abends verspürte mein Rücken keine weitere Lust, im Auto zu nächtigen und so fand ich in der Umgebung den Naturcampingplatz „Bergmühle“, ein Kontrast zu dem am Hainich. Direkt an der Auenlandschaft des Flusses „Innerste“ gelegen (wie passend für eine Heilungsreise, dachte ich mir) schmiegt sich die alte ehemalige große Mühle, die bereits 900 n.Chr. erwähnt wurde, in die Insel zwischen Fluss und Mühlgraben. In der zweiten Generation ist sie nun schon ein Familiencampingplatz mit einem riesigen Gelände, auf dem bereits viele stattliche Bäume stehen und das an ein Naturschutzgebiet mit dem Eisvogel und anderen seltenen Arten angrenzt. Zwar hört man in der Ferne die Autobahn ein wenig, doch das satte Grün und die familiäre Atmosphäre machen das wieder wett. 

Hier blieb ich zwei Nächte und machte am nächsten Tag einen Ausflug zur Upstedter „Tausendjährigen Linde“. Ein Blick ins Baumbuch verrät, dass die oftmals verehrten sogenannten Tausendjährigen doch meist ein paar Jahrhündertchen weniger auf der Krone haben. Aber auf immerhin zwischen 600 und 800 Jahre wird ihr Alter hier geschätzt (da bei so alten Bäumen das Innere oft hohl ist, handelt es sich um grobe Schätzungen) – immerhinauch eine Spanne, von der wir Menschen nur erahnen können, was dieser Baum schon alles gesehen hat. Gelitten hat die sanfte Riesin bereits viel: in den 1890er Jahren kappte ein Blitz ihren stärksten Ast und 1932 entfachten spielende Kinder in ihrem hohlen Stamm (in dem laut Infotafel bequem fünf Menschen Platz finden) ein Feuer. Glücklicherweise konnte es gelöscht werden und ist die Regenerationskraft dieser alten Baumriesen oft so groß. Immer noch prächtig sieht ihre Krone schon von Weitem aus, auch in diesem heißen Sommer in Folge. Auch mit dieser alten Weisen ging ich auf Tuchfühlung, setzte mich in ihre hohle Mitte und lauschte, wenngleich wir dabei nicht ganz so viel Privatsphäre hatten wie mit der Buche, denn sie steht mitten im - glücklicherweise verschlafenen - Dorf. Diese Nähe zu den Menschen prägt aber auch ihr Wesen und sie wiederum prägt ihrerseits den Ort: war Gerichtslinde in alten Zeiten, findet sich auf dem Gemeindewappen wieder, wird von manchen „Marienlinde“ genannt und verehrt.

So sprach ich also ganz ungeniert von Maria zu Maria mit ihr, wenn auch zeitweilig unterbrochen von Bauarbeitsgeräuschen aus dem Dorf. Trotz ihrer Stattlichkeit strahlt sie eine unglaubliche linden-typische Weichheit aus, etwas nahezu ätherisches, das Widerständen gar keine Angriffsfläche bietet. Das empfing ich von ihr: „Ich bringe dir die Gabe der Vergebung und der Weichheit angesichts der Härten des Lebens. Geh in die Liebe und den Sanftmut und du findest Frieden in dir.“

Wie den meisten anderen Baumalten, denen ich einen Besuch abstattete, schenkte ich ihr einen Apfel und begab mich auf weitere Wanderschaft in die Nähe des Schlosses Söder, wo ich hinter der Lindenallee vergeblich eine alte Hainbuche am Waldrand suchte. Doch ich fand einen Buchenwald mit (leider vorzeitig) abgeworfenen Blättern, die mich zum kreativen Spielen einluden…


Der nächste Tag sollte der aufregendste, zunächst nicht gerade im positiven Sinne, werden. Ich wachte auf zu Regengeräuschen und Tropfen in der Mitte des Zeltes. Mist. Eigentlich hatte ich jetzt drei Tage auf dem Campingplatz auf Rügen geplant um anschließend nach Ivenack zu fahren. Nun wurden die Wetterprognosen zusehends dramatischer. Hier, südlich von Heidelberg, war eigentlich erst ab frühen Nachmittag „leichtes Gewitter“ angesagt gewesen. Doch der Regen wuchs sich innerhalb von einer Stunde zu derartig sintflutartigem Starkregen aus, dass ich trotz großem Regenschirm klatschnass wurde bei der hastigen Aktion, schnell irgendwie alles ins Auto zu schmeißen, und dass mir das Zelt komplett absoff. Und das vor dem Frühstück! Zelt in die Tonne gestopft (es hatte seine besten Jahre eh hinter sich), fluchend im Auto Klamotten gewechselt, fuhr ich an den nächsten Waldrand, wo wundersamerweise der Regen nachließ. So konnte ich frühstücken und neue Pläne schmieden. Kurz war ich angesichts der weiteren Wetterprognosen – Gewitter und Starkregen im Nordosten – entmutigt und überlegte, nach Hause zu fahren. Ich entschied: Nein, nicht ohne die Ivenacker Eichen gesehen zu haben, und suchte nach einer Unterkunft in der Gegend. Die Durchschnittspreise für eine Pension konnte ich mir nicht leisten, zumindest nicht für mehr als eine Nacht. Ich fand eine Seite mit Monteursunterkünften, die ja immer vergleichsweise günstig sind. Vielleicht hätte ich Glück und eine davon würde mich für 2,3 Nächte aufnehmen. Der „Meta Anna Elisenhof“ war mir auf Anhieb sympathisch. Doch es gab noch etwas günstigere Angebote, von denen ich vorher die am angenehmsten wirkenden abtelefonierte. Ich erreichte keinen oder erhielt Absagen. Schließlich bot mir eine Frau eine „megaschicke Ferienwohnung“ in der Nähe der Ivenacker Eichen (die Strecken auf dem Land ziehen sich ganz schön) für einen ordentlichen Preisnachlass an, doch immer noch 100€ fürs Wochenende. Ich sagte ihr, ich wolle es mir überlegen und schaute erneut auf die Seite vom Meta Anna Elisenhof. Das wirkte einfach so einladend. Doch mit Endreinigung machte es für zwei Nächte preislich keinen großen Unterschied und war weiter weg von Ivenack. Ich ließ den Bauch entscheiden und erreichte im Elisenhof sofort einen Mann, der meinte, kein Problem, ich könne am Nachmittag anreisen. 

Was folgte war eine Fahrt durch das Auge des Sturms. Starker Regen, Aquaplaning und gleichzeitig extrem dichter Verkehr, auch Unfälle auf der Strecke. In einem Moment tat sich ein wirklich apokalyptisch schwarzer Himmel mit zuckenden Blitzen vor mir auf, in genau der Richtung, in die ich fuhr. Ich atmete bewusst tief und murmelte „Faraday‘scher Käfig“ vor mich hin. Die Schutzengel begleiteten mich. Nach anstrengenden knapp 6 Stunden Fahrt und einem frustrierend vergeblichen Stopp bei McCafé, der nicht, wie angepriesen, vegane Milch für den Cappuccino hatte, kam ich erleichtert bei Kathi und Jens an den Drei Eichen (lustige Fügung, oder?) in Glasow an. 

Ich verliebte mich sofort in den gemütlichen Küchen- und Esssaal, den Kathi geschmackvoll mit ein paar Hortensien hier, ein paar Kerzenleuchtern da gestaltet hatte, und in die Hüterin des Platzes: Mimi, die Hofkatze. 

Am ersten Abend saßen wir bereits gemütlich beisammen, außer mir war noch ein älteres Ehepaar aus – Ironie des Schicksals – Rügen zu Besuch, das gerade bei den Ivenacker Eichen gewesen war. 

Nach einem weiteren Frühstücksplausch mit meiner netten Gastgeberin war schnell klar – wir verstehen uns. Tauschten uns ohne Oberflächlichkeiten über die Härten des Lebens, die uns beiden mitgespielt und den inneren Diamanten, den sie geschliffen hatten, aus. In den nächsten Tagen zeigte sich: in Kathi hatte ich eine Freundin gefunden und sie war ebenso dankbar, dass mich der Starkregen an Land zu ihrem Hof gespült hatte, wie ich. Sie verstand auch gleich intuitiv, auf welche Weise ich mich mit den Bäumen verbinde, welcher Art meine Besuche bei ihnen waren. Begeistert zogen wir zusammen Orakelkarten aus meinem Baumkartendeck. 

Da am ersten Tag noch Regen gemeldet war, wollte ich mir die Ivenacker Riesen aufheben, denn ich brauchte trockenes Wetter um sie zu zeichnen. So besuchte ich stattdessen die Eibe in Jabel – ein mystischer, etwas düsterer alter Baumriese von 250 Jahren. Nicht von ungefähr wird die Eibe von jeher Baum des Todes und Hüter der Schwelle genannt, all seine Teile mit Ausnahme des roten Fruchtfleisches giftig. So beschloss ich, könne ich ihm auch alles anvertrauen, was bereits tot ist und überreif loszulassen. 

Ich hatte mich schon gefragt, wo ich zum Neumond wohl am besten sein sollte - ein kraftvoller, aber auch spannungsgeladener Neumond in der Jungfrau, dem Zeichen für Gesundheit und Heilung. Wie ich da im vorherbstlichen Nieselregen die alte Eibe besuchte, fühlte es sich stimmig an. Neumond ist ja immer eine gute Zeit um Altes loszulassen, damit wieder Raum für Neues entsteht. Gar nicht allzu lang hielt ich mich auf, schnell war gesagt, was gesagt werden musste, und der Eibenalte gab mir mit auf den Weg, dass ich ins Reich der Lebenden gehöre. „Ja!“ atmete es in mir auf, nicht immer in meinem Leben war das so klar gewesen.

Da die Gegend sehr reich an Baumriesen ist, machte ich mich gleich weiter auf die Suche nach der Höhlenulme bei Klocksin, aber leider vergeblich. 

Doch bei der knapp 400-jährigen Eiche bei Burg Schlitz hatte ich Glück. Doppeltes Glück, wie ich im Nachhinein erfuhr, denn meist steht das Tor nicht so einfach wie an diesem Tag offen. Die Burg ist ein Treffpunkt für die High Society, unter anderem den schottischen Adel, der sich in der Gegend niedergelassen hat. Sogar Prince Charles ward bereits einmal gesehen, wie man munkelt. Da stehen die Pforten normalerweise nicht sperrangelweit offen für eine barfüßige, leicht durchnässte Baumpilgerin. Doch wie gesagt, ich hatte Glück und durfte auch mit diesem stattlichen Baumopa einige Zeit in privacy genießen. Er fühlte sich herrlich an. Ich umarmte ihn und tankte richtig bei ihm auf. Trotz seiner Stattlichkeit und Knorrigkeit, die Eichen ja so zu eigen ist, fühlte auch dieser Alte sich vergleichsweise leicht und durchlässig an, anders als meine alte Lieblingseiche am Fluss in Leipzig, der man eine gewisse Schwere ihrer vielen Jahre anmerkt.

 

Ich genoss die Zeit mit dem grünen Schlossherrn, der glücklicherweise weit genug draußen auf der Wiese steht, sehr und machte eine kleine Fotosession mit ihm. Sogar ein geliebter Vierbeiner war zu seiner letzten Ruhe seinen Wurzeln anvertraut worden – a royal dog maybe? 

Der Eicherich vertraute mir an „Ich schenke dir die Gabe der Präsenz, der Stärke und des Durchhaltens in allen Wetterlagen“.

 

Am nächsten Tag war es nun endlich so weit und das Wetter war mir hold, auf nach Ivenack! Witzigerweise lag auf der ca. 40-minütigen Fahrt das Örtchen Basepohl, in das mein Vater zu seinen NVA-Zeiten verbannt worden war. Denn er hatte der Liebe wegen den anfänglich länger zugesagten Wehrdienst wieder verkürzt und nur die nötige Pflichtzeit abgeleistet. Auch dies gehört gewissermaßen zur Geschichte meiner Wurzeln, denn die, in die er sich frisch verliebt hatte und derentwegen er keinen Tag länger als nötig von Daheim fort sein wollte, sollte später meine Mutter werden.

Nun endlich begrüßte ich also die alten Eichenriesen im Tierpark. Da er touristisch angelegt und sehr gepflegt ist, ist jede der Eichen umzäunt. Ich konnte also kein Tête á Tête wagen wie mit den anderen Bäumen. Es wären auch zu viele Spaziergänger*innen da gewesen, natürlich wollen viele die alten Kolosse bewundern.


Schließlich befindet sich unter ihnen der wahrscheinlich einzige Baum, der tatsächlich tausend Jahre auf dem Buckel hat. Mehrere stattliche alte Eichenriesen können die Besucher*innen des Tierparks bewundern, sogar von einem Baumwipfelpfad aus. Nah beim Kiosk grasen ganz angstfrei Rehe und einzelne Hirsche, die hier nichts zu befürchten haben. Rührend und friedlich ist das anzusehen. Als ich mich mit meinem mitgebrachten Mittagessen auf eine Bank setzte, beobachtete ich, wie zwei junge Rehe sich sogar über den Rand der großen Wiese auf den Weg wagten, auf dem die Menschen zu dem ihrigen Futterhäuschen pilgerten. Eine Ausstellung informiert über Wissenswertes zu den Eichen, ihren tierischen Bewohnern und wie die Wälder früher als „Hutewälder“ genutzt wurden, in die Schweine und andere Nutztiere zum Fressen der nahrhaften Eicheln geführt wurden. Da entstand der Spruch „Unter Eichen wachsen die fettesten Schinken“, der mir als Vegetarierin nicht ganz so gut schmeckt. Aber besser unter Eichen als in Massentierhaltung allemal…

Der betagteste Eichenherr jedenfalls mit seinen stattlichen 1000 Jahren keimte gerade in der Zeit der Slawenkönige und als die Gegend dann schließlich nach und nach christianisiert wurde.Vielleicht wurden seine Eltern noch von naturreligiösen Menschen verehrt? Respektiert und bewundert wird er jedenfalls heute ebenso.

Mit Freude, aber auch etwas Mühe, ihn aufs Blatt zu bekommen, zeichnete ich ihn und zwei seiner Brüder, auch unter Bewunderung mancher Vorbeilaufender, vor allem der Kinder.


Die Schönheit des Werden und Vergehens...

Beglückt, aber noch nicht satt vom Urlaub und der Mecklenburgischen Schweiz kehrte ich zum Hof zurück und vereinbarte mit Kathi, dass ich zwei weitere Nächte im Tausch für eine Massage (am Ende wurde es ein Human Design Reading) bleiben darf. Dem „vorletzten Tag“ am Anfang des Textes folgten also noch drei letzte Tage...

So sah ich dann doch noch kurz die Ostsee bei einem Tagesausflug mit Kathi und Ingrid, die inzwischen angereist war. Am allerletzten Tag genoss ich einfach nur die Ruhe und die wunderschöne Gegend um den Hof herum, hatte noch eine schöne Pferde- und zwei Eichenbegegnungen und sammelte wild wuchernden Hopfen und Schafgarbe. Natürlich teilten Kathi und ich allabendlich philosophische Gespräche und so war der Urlaub perfekt abgerundet. Doch tatsächlich wurde er am Bahnhof Teterow abgerundet, wohin ich Ingrid fuhr, bevor ich meine Rückreise antrat. Denn dort befindet sich eine tolle Kunstgalerie, in der gerade ein Umbau stattfand. In ein paar Tagen erst würde eine neue Ausstellung eröffnen, doch weil die Tür offen war, wagte ich mich hinein. Ein süßer junger Typ empfing mich und erlaubte mir, mich ein wenig umzusehen – es waren doch tatsächlich wundervolle Naturmalereien und sagenhaft schöne feinst detaillierte Baumzeichnungen von zwei in der Gegend geborenen Künstler*innen. Was für ein passendes Ende für meine Baumreise und Nektar für die Künstlerinnenseele.

Abrunden möchte ich diesen Text mit Worten, denen man auf dem Ivenacker Baumwipfelpfad lauschen kann:

 

Weißt du, dass Bäume reden? 

Ja, sie reden. Sie sprechen miteinander, und sie sprechen zu dir, wenn du zuhörst. Aber die weißen Menschen hören nicht zu. Sie haben es nie der Mühe wert gefunden, uns Indianer anzuhören, und ich fürchte, sie werden auch auf die anderen Stimmen in der Natur nicht hören. Ich selbst habe viel von den Bäumen erfahren: manchmal etwas über das Wetter, manchmal über Tiere, manchmal über den Großen Geist.

 

(Tatanga Mani)

 

 

*Literatur:

 

Stefan Kühn, Bernd Ullrich, Uwe Kühn: Deutschlands alte Bäume. BLV Verlag München 2010

 

Renato Strassmann: Baumheilkunde. Heilkraft, Mythos und Magie der Bäume. Freya Verlag 2015

 

https://www.nabu.de/natur-und-landschaft/waelder/lebensraum-wald/13284.html

 

Foto Campingplatz Bergmühle: 

https://campingplatz-bergmuehle.de

 

Link zum Meta Anna Elisenhof in Glasow: 

https://www.monteurzimmer.de/gaestezimmer/17166-schorssow-10569602f9

 

Link zur Ausstellung in Teterow (noch bis 22.10.22 und sehr empfehlenswert!):

https://galerie-teterow.de